Cornelis Douwes

Im Februar 1748 ernannte die Admiralität von Ansterdam den damals 36 jährigen Cornelis Douwes zum Direktor der „Algemeen Zemannscollege“ von Amsterdam. Mit Douwes begann eine neue Periode in der Geschichte der Navigation, die damals mit dem Begriff des „Mathematician Seaman“ begann. Er sah eine wichtige Aufgabe darin, das Zweihöhenproblem für die Schifffahrt nutzbar zu machen. Voraussetzung für eine genaue Höhenmessung sind natürlich die richtigen Instrumente und deren richtige Verwendung. So schuf er auch die wohl ersten Tafeln zur Sextantenbeschickung, die auf Berechnungen von Kimmtiefe und Refraktion beruhten.

Am bekanntesten wurde Douwes durch die Schaffung seiner Tafeln, mit denen die wahre Mittagsbreite außerhalb der Mittagsstunde auf See bestimmt werden konnte. Eine Publikation von ihm erschien 1754. Doch schon vorher sandte er seine Unterlagen und die darauf aufgebaute Tabelle an die “Lords Commissioners” der englischen Admiralität und erhielt dafür sogar eine ansehnliche Belohnung. Seine Tafeln und eine Erklärung darüber, wie damit gearbeitet wird, wurde später in den „Nautical Almanac“ aufgenommen.

Seine Methode beruhte auf Arbeiten des Portugiesen Pedro Nunes (1502 – 1578). Schon dieser hatte eine Methode zur Bestimmung des Breitengrades aus zwei Sonnenhöhen vorgeschlagen. Seine Berechnungen waren jedoch nicht genau genug. Das Modell dafür war die Sonne zu unterschiedlichen Zeiten, einem Pol, dem Äquator und einem zentralen Punkt, einer Beobachterposition auf der Standortbreite. Die Höhen der Sonnen in den Beobachtungszeiten und die Deklination wird als bekannt vorausgesetzt. Notwendig war dann auch die zwischen den Beobachtungen verstrichene Zeit, die mit einer normalen Uhr gemessen weren konnte. Die Methode setzt voraus, dass eine Standortbreite und eine Standortlänge geschätzt werden.

Die von Douwes angewandte Rechenmethode war die der Projektion, wodurch die sphärische Trigonometrie in eine ebene Trigonometrie gebracht werden konnte, allerdings mit Einschränkungen. Sein Prinzip war am Ende eine Iteration, denn die ganze Rechnung nähert die wahre Breite lediglich an die geschätzte Breite an. Die Standortbreite muss also recht gut geschätzt werden, oder man rechnet alles noch ein zweites Mal und dann mit der ausgerechneten Breite als neue Schätzbreite.

Tabelle 1: Ausschnitt aus einer Seite der Douwes Tafeln

Nicht nur die Breite musste geschätzt werden, sondern auch die Standortlänge, weil der Sun Almanac nur die Deklination am Mittag für Greenwich angab. Eine weitere Tabelle gab die stündliche Änderung der Deklination je nach Tag im Jahr an. Damit kann die Deklination, die Mittags für Greenwich angegeben ist, auf die Beobachtungszeit am geschätzten Längengrad umgerechnet werden. Die Methode rechnet nur mit einem Wert der Deklination. Genauere Ergebnisse bekommt man mit einer mittleren Deklination zwischen den Beobachtungszeiten.

Die Methode mutet ziemlich stochastisch an, weil Zusammenhänge mit dem Hintergrundmodell nicht gleich erkennbar sind. Da aber nicht mal 10 Logarithmen gebraucht und sonst nur Additionen und Umrechnungen anfallen, kam das Verfahren bei den Seeleuten an. Mit einem Schiffschronometer konnte später auch leicht die Länge berechnet werden. Die Douwes Methode hielt sich bis ins 19. Jahrhundert hinein und wurde erst von den Standlinienmthoden abgelöst.

Für eine bequemere Berechnung hatte Douwes spezielle Logarithmentafeln angefertigt. Diese wurden in den folgenden Jahrzehnten mehrfach verbessert und erweitert und gemeinsam mit Capt. Campbell herausgegeben. Diese speziellen Tafeln kürzen den Gebrauch einer normalen Logarithmentafel erheblich ab. Bild 1 zeigt den Ausschnitt einer Tabellenseite der Douwschen Tafeln. Für eine angegebene Zeit liefert die Tabelle einen speziellen Logarithmus und für einen speziellen Logarithmus eine Zeit. Die Sekundenwerte sind in 10 s Intervallen angegeben, wodurch Interpolationen nötig werden.

Das Finden einer Standortbreite mit Hilfe dieser Tafeln soll nun an einem Beispiel gezeigt werden. Am 15. Juli 2021 wurde die Höhe der Sonne in zwei Zeiten gemessen:

  • um 09:28:53  in    55° 52,97’ 55,88°
  • um 12:01:23  in    69° 14,84’ 69,25°

Der Standort wurde geschätzt auf

  • 41° 49’ N / 6° W

Zunächst muss die Deklination am Standort aus der geschätzten Länge festgestellt werden. Man kennt die Deklination am Mittag in Greenwich und muss diese auf 6° W umrechnen. Man erhält

  • Deklination der Sonne am Mittag in Greenwich      21° 26,22’ N     21,437°
  • Deklination auf 6° W um 09:28:53                                  21° 27,24’ N     21,454°

Doch jetzt zum Gebrauch der Douwes Tafeln. Als erstes berechnen wir die Logarithmen des Secans der Deklination und der geschätzten Breite und addieren deren Mantissen. Der Sekans ist der Kehrwert des Kosinus, also sec x = 1/cos x. Das Ergebnis ist in der letzten Tabellenspalte mit A gekennzeichnet.

Jetzt subtrahieren wir vom Logarithmus des Sinus der größeren Höhe den Logarithmus des Sinus der kleineren Höhe. Da Douwes seine Tabellen mit dem Halbmesser 105 berechnet hat, muss das vor dem Gebrauch der Tafeln beachtet werden. Die Logarithmen der Sinusse müssen deshalb jeweils mit 105 multiplitziert werden. Das Ergebnis ist in der letzten Spalte mit B gekennzeichnet.


Als nächstes wird die zwischen den Beobachtungen verstrichene Zeit berechnet und halbiert. Für diese Zeit wird jetzt in der Spalte „Log 1/2 elap. time“ der Douwes-Tafel der entsprechende Logarithmus herausgelesen. Dabei muss auf die Sekunde genau interpoliert werden. Das Ergebnis ist in der letzten Spalte mit C gekennzeichnet. Anschließend werden die Logarithmen A, B, und C addiert:


Mit der erhaltenen Summe wird erneut die Douwes-Tafel bemüht. Die Zahl dieser Logarithmus Summe wird in der mittleren Spalte „Log. Mid. Time.“ der Douwes Tafel gesucht und die dafür angegeben Zeit wird herausgelesen. Diese Zeit ist eine sogenannte mittlere Zeit und mit D gekennzeichnet.

Danach wird die Differenz zwischen dieser mittleren Zeit und der halb verstrichenen Zeit ausgerechnet, indem die kleinere Zeit von der größeren subtrahiert wird. Dadurch erhält man theoretisch den Abstand der Sonne in Zeit vom Mittag von der größeren Sonnenhöhe.
Mit dieser Zeit tritt man wieder in die Douwes-Tafel ein und entnimmt aus der Spalte der logarithmischen Höhe „Log. th. Rising.“ den ihr entsprechenden Logarithmus. Von diesem wird dann die Summe A aus der Tabelle 2 subtrahiert. Das Ergebnis ist der Logarithmus einer natürlichen Zahl.


Die Arbeit mit den Douwes Tafeln ist damit erledigt.
Die erhaltene Zahl muss jetzt delogarithmiert werden und weil darin immer noch der Halbmesser von 105 der Douwes Tafeln steckt. Zu seiner Entfernung muss das Ergebnis durch 105 dividiert werden. Danach wird der Sinus der größten Höhe davon abgezogen und man erhält den Sinus der meridionale Höhe der Sonne. Das entspricht der Höhe einer Mittagssonne von der Standortbreite aus gesehen:


Der Rest ist dann ganz einfach die Bestimmung einer Mittagsbreite zu einer anderen Tageszeit, nämlich zur Zeit der zweiten Beobachtung. Für die Mittagsbreite gilt bekanntlich:

bei Kulmination der Sonne im Süden:     90° – Höhe + Deklination
bei Kulmination der Sonne im Norden:     Höhe – 90° + Deklination

In unserem Beispiel mit der Sonne im Süden rechnen wir 90° – 69,746° + 21,454° = 41,454°. Das sind umgerechnet in WG84 Darstellung:

41° 42,49′ N

Die mit den Douwes Tafeln berechnete Breite liegt etwa 1,05 NM nördlicher als die tatsächliche Breite von 41° 41,24’ N. Die Schätzbreite liegt dagegen um etwa 8 NM nördlicher.
Zur Rechnung wurde die Deklination zum Zeitpunkt der ersten Beobachtung angesetzt. Wird stattdessen die mittlere Deklination der Zeit zwischen den Beobachtungen angesetzt, dann errechnet sich eine Breite von 41° 41,98’ N und diese Breite weicht dann etwas weniger, nämlich um 0,75 NM von der südlicher liegenden tatsächlichen Breite ab.

Resümee

Die vorstehend gezeigte Douwes Methode ist die älteste bekannte und zugleich am längsten benutzte Methode zur Bestimmung einer Breite aus zwei Sonnenhöhen und wurde von den Seefahrernationen von der Mitte des 18. bis in die Mitte des 19. Jarhunderts benutzt. Heute ist sie völlig vergessen und nur noch als Faximile zu finden.

Schon zu ihrer Zeit wurde beklagt, dass der Beweis der Richtigkeit dieser Methode nirgends zu finden ist. Wir wollen ihn hier auch nicht führen. Uns genügt eine Übersicht darüber, womit sich die Seeleute vor einem viertel Jahrtausend herumschlagen mussten. Mehr findet man in „Tables Requisite to be used with the Nautical Ephemeris for Finding the Latitude and Longitude at Sea“ und in „Sammlung astronomischer Abhandlungen, Beobachtungen und Nachrichten, Berlin 1793“ ab Seite 42.

Mit der Mittagssonne konnte die Breite genau bestimmt werden, doch das reichte oft nicht aus. In der Dämmerung spielte die Nordsternhöhe auf der Norhalbkugel noch eine Rolle. Sterne konnte man auch nur in den Dämmerungen bobachten und das war nur immer zu kurz. So war die Sonne das Gestirn, das es den ganzen Tag über ermöglichte, die Breite zu finden und deshalb war diese Douwes Methode so verbreitet.

Im Vergleich mit einer Berechnung der Breite über die sphärischen Dreiecke ist dieses Verfahren viel einfacher und führt sogar zu einem recht passablen Ergebniss. Die Arbeit mit Zahlentafeln fällt sogar bescheiden aus. Beispielsweise nur zweimal für den Log-Sekans und zweimal für einen Log-Sinus. Zusammen mit den drei Douwes Logarithmen ist das vergleichsweise sehr wenig. Zwar ist kaum davon auszugehen, dass die früheren Seeleute gewusst haben, was sie im einzelnen gerade berechnen. Eine Ausnahme ist vielleicht die letzte Operation der Mittagsbreiten Bestimmung zu einer beliebigen Tageszeit.