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Zur Bestimmung des Breitenkreises, auf dem sich ein Schiff gerade befindet, entwickelte der Mensch zahlreiche Werkzeuge, mit denen er diejenigen Himmelskörper beobachten konnte, die ihm Aufschluss darüber gaben. Die wichtigsten waren der Jakobsstab, Quadrant, Oktant und schließlich der Sextant. Seit langem schon war bekannt, dass die Höhe des Nordsterns auf der Nordhalbkugel mit der Standortbreite ziemlich gut übereinstimmt und seit dem Mittelalter existieren einigermaßen brauchbare Deklinationstabellen, die es ermöglichen, die Standortbreite auch aus der Kulmination der Sonne am Mittag zu bestimmen. 
Daraus entwickelte sich schon früh eine besondere Navigationsmethode, das sogenannte Breiteln.

Bild 1.1 links: Die Beobachtung der Sonne mit einem Jakobsstab führte oft zu Erblindungen. Bild 1.2 rechts: Mit einem Oktanten wurden genauere Beobachtungen möglich.

Auch Columbus hat diese Methode benutzt, um zurück nach Europa zu kommen. Er segelte zunächst von der Karibik kommend immer nur nach Nordosten, bis er die gewünschte Breite von Kap St. Vincent in Portugal erreichte, und änderte dann seinen Kurs direkt nach Osten. Auf seiner Weiterreise versuchte er, auf möglichst gleicher Nordsternhöhe zu bleiben, auch wenn ihn manchmal Stürme abtrieben. Im Verlauf seiner Reise traf er auf die Azoren und erreichte schließlich sogar ziemlich genau Lissabon, was am Ende mehr ein Zufall war.
Eine Bestimmung des Längengrades galt dagegen lange Zeit als unmöglich, obwohl bereits Wege dafür angedacht waren. Im 16. Jahrhundert vertraten Galilei und andere die Auffassung, dass der Längengrad mit einer exakt laufenden Uhr bestimmt werden könne. Doch der Versuch einer Längengrad-Bestimmung mit einer Pendeluhr an Bord dauerte nur bis zum ersten Sturm, der das Pendel völlig außer Takt brachte und nach dem die Uhr dann nicht mehr gestellt werden konnte.
Später ermittelte man die Zeit durch Messungen von Monddistanzen zu Fixsternen, die wiederum eine Bestimmung der Zeit in Greenwich ermöglichte. Spätestens damit erlangte die Mathematik einen wichtigen Stellenwert in der Praxis der Navigation.

1.1 Das Problem der der zwei Höhen

Der Portugiese Pedro Nunes (1502–1578) beschrieb ein Prinzip, wonach die geografische Breite aus zwei unterschiedlichen Höhen der Sonne bestimmt werden konnte. Von dem dänischen Astronomen Tycho Brahe (1546–1601) ist bekannt, dass er die unbekannte Position eines Sterns aus der bekannten Position zweier anderer Sterne ableiten konnte. Diese Aufgabe unterscheidet sich genau genommen nicht von der Bestimmung der unbekannten Position eines Schiffes. Das Gradnetz der Erde ist eine Projektion des Gradnetzes an der Himmelskugel. Somit ist die Position des Zenits Z eines Schiffes auf dem Gradnetz der Himmelskugel identisch mit der Position des Schiffes auf dem Gradnetz der Erde.
Auf diese Weise ließe sich die Tätigkeit der Astronomen auf eine Positionsbestimmung auf dem Meer übertragen. Die Aufgabe bestände nur darin, den unbekannten Zenit einer Schiffsposition aus der Position zweier bekannter Himmelskörper oder der Position der Sonne zu zwei verschiedenen Zeiten abzuleiten. Diese Aufgabe ist als Problem der zwei Höhen oder einfach als Zweihöhenproblem bekannt geworden.
Ein einfacher Rechenweg ließ sich für diese Aufgabe allerdings nicht finden. Die Mathematik befand sich noch im Wachsen. Zwar gab es schon genügend Arbeitsergebnisse zur sphärischen Trigonometrie, doch diese waren noch völlig ungeordnet und damit nicht reif für eine allgemeine Verwendung. Einen Anschub zur Lösung des Zweihöhenproblems leistete ein Preisausschreiben, das die Pariser Akademie der Wissenschaften am 17. Mai 1727 veröffentlicht hatte. Ein Preis sollte demjenigen zuerkannt werden, der eine praktikable Lösung für das Zweihöhenproblem anbieten konnte. Unter den zahlreichen Teilnehmern, die einen Preis zu gewinnen hofften, fand sich auch Daniel Bernoulli, der heute vor allem als Begründer der Strömungslehre bekannt ist. Er wollte die geografische Breite aus drei aufeinanderfolgend gemessenen Höhen und den korrespondierenden Zwischenzeiten an ein- und demselben Himmelskörper bestimmen, ohne dessen Koordinaten zu kennen.
Die Suche nach einfachen Lösungen zog sich recht erfolglos bis fast in die Mitte des 19. Jahrhunderts hin. Unzählige Publikationen mit mehr oder weniger praktischem Nutzen wurden bekannt. Vielfach wurde versucht, die sphärische Trigonometrie zu umgehen, indem stattdessen in der Trigonometrie der Ebene oder sogar in der allgemeinen Arithmetik nach Ausweichlösungen gesucht wurde.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat Leonhard Euler (1707–1783) die Sätze der sphärischen Trigonometrie systematisiert und darüber hinaus leicht verständliche Anleitungen gegeben, wie diese anzuwenden sind. Weil zu dieser Zeit die Berechnung nur mithilfe von Logarithmen möglich war, hat Euler die Formeln sogar in zwei Varianten publiziert. In einer ersten Variante wurden sie in ihrer anschaulichsten und heute bekannten Form interpretiert. Die zweite Variante war eine sogenannte abgeleitete Gleichung, die nur noch aus Produkten und Quotienten bestand, und damit im Hinblick auf eine rechnerische Anwendung mit Logarithmen optimiert war. Mit dieser Arbeit hatte Euler die Grundlage für ein mathematisch strenges Verfahren zur Berechnung der Breite eines Standortes aus den gemessenen Höhen zweier Himmelskörper geschaffen.