Über das Ankern ist ja schon einiges geschrieben worden. Viel über die Berechnung der richtigen Kettenlänge und das richtige Festfahren des Ankers, aber auch über die Bedeutung des Abfangens der Kette mit einer Kettenkralle zur Entlastung der Winde und zur Vermeidung von Kettengeräuschen. Das sind schließlich auch die drei wichtigsten Aspekte beim Ankern. Wie stabil eine Ankerkralle sein muss, damit sie ihre Funktion voll und ganz erfüllen kann, ist dagegen kaum irgendwo beschrieben und genau darum soll es im Folgenden auch gehen.
Stabilität
Muss eine Kettenkralle auch einen Gewittersturm aushalten, der plötzlich viel stärker als vorhergesagt mit Orkanböen daherkommt? Von mir kommt dafür ein klares JA. Anderenfalls wäre eine Entlastung der Ankerwinde gerade dann, wenn es besonders wichtig ist, nicht mehr gegeben. Zwei Kettenkrallen an Bord haben zu müssen, eine für normales Wetter und eine für Schlechtwetter wäre ja Unsinn.
Aus dieser Erfahrung heraus legte ich Wert auf eine solide und kräftige Konstruktion und entschied mich für ein Modell, das bei SVB ausschließlich positive Bewertungen erhalten hatte, das Modell 10 in der unteren Abbildung. Die erste Ernüchterung kam vor drei Jahren, als in einem Sturm die 14 mm Leine riss und sich dann die See mit viel Geratter einige Meter Kette aus meinem Kettenkasten gönnte. Die Leine war auch schon von einer Kante meines Bugbeschlags leicht vorgeschädigt worden. Außerdem hatte die Kettennuss schon viele Ankermanöver hinter sich und wies dadurch einige Verschleißspuren auf. Man sollte sie regelmäßig prüfen und gegebenenfalls erneuern. Die nächste Kralle erhielt deshalb eine 16 mm Leine und an der Kante des Bugbeschlages einen stabilen Schlauch gegen das Schamfilen.
Die alte Kralle mit der 14 mm Leine hat zwar immer die nächtlichen Geräusche unterbunden und hat auch immer die Ankerwinde entlasten können, bis auf den Tag, an dem die Windstärke den Starkwindbereich überschritten hatte.
Die zweite Ernüchterung ist gerade mal passiert. Ein unerwartet schwerer Gewittersturm, den keiner meiner 8 Wettervorhersagen in dieser Stärke angekündigt hatte, fegte nachts um 3:00 Uhr über die Ankerbucht in der schönen Ensenada de Tramontana auf Formentera. Die meisten Boote hatten die Bucht bereits am Abend verlassen. Da ich geplant hatte, am kommenden Morgen ohnehin ganz abzusegeln und die Saison für das Jahr abzuschließen, wollte ich vorher nicht noch einen anderen Platz aufsuchen. So blieb ich einfach, mit Folgen, die nur der ungenügenden Festigkeit meiner Ankerkettenkralle zuzuschreiben sind.

Jetzt zum Geschehen. Um 3:00 morgens legte der Wind kräftig zu und jagte unheimlich aussehende langgestreckte Wellen beidseitig am Boot vorbei, die mit der Zeit immer größer wurden. Plötzlich gab es einen lauten Knall, gefolgt von einem Rattern. Dieser Ton war mir bekannt. Die See nahm sich Kette. Ich krabbelte nach vorn, um die Kettennuss fester anzuziehen. Am Bug angekommen, erschrak ich dann. Die Kette wurde krachend über die feststehende Kettennuss gerissen, mit jeder Welle ein Stück von etwa einem halben Meter. Das Auftrittsbrett am Bugbeschlag war weg und im Dunkeln verschwunden. Die Kettenkralle, der ich vertraut hatte, baumelte auseinander gebogen an ihrem 16 mm Strop an der Steuerbordseite herunter. Hilflos musste ich zusehen, wie Stück für Stück meiner Ankerkette im Dunkeln verschwand. Ein letzter Versuch, mithilfe der Maschine gegenan für weitere Maßnahmen die Kette zu entlasten, ging natürlich gründlich schief. Das Boot wurde vom Sturm augenblicklich um 180° gedreht und stand plötzlich mit dem Heck im Wind. Fast im selben Moment war die Kette dann raus und das Boot frei.
Was war geschehen? Offenbar war das abgefangene und damit lose Ende der Ankerkette beim heftigen Auf- und Ab des Bugs als Schlaufe über das Auftrittsbrett geschleudert worden. Beim Brechen der Kettenkralle wurde die Kette dann steif und hat das Brett einfach weggerissen. Die Ankerkralle wurde durch den Winddruck auf das Boot einfach auseinander gebogen und verlor ihre Funktion.
Glücklicherweise konnte ich aus der Gefahrenzone heraus manövrieren und zum Glück war ein Ersatzanker an Bord. Das Ganze ging einigermaßen glimpflich aus, weil der Anker mitsamt Kette am darauffolgenden Tag dank GPS-Markierung gefunden und geborgen werden konnte. Dafür nochmal recht herzlichen Dank an die Besatzung der Segelyacht NUK aus Valencia, die am 18. August 2022 großartige Hilfe leistete, das Geschirr direkt unter sich fand und zusammen mit meiner Frau und mir ein echtes Bergungsteam bildete.
Es hätte auch alles verloren sein können, der Ultraanker von 100 Pfund, die 100 m Edelstahlkette von 10 mm Stärke, der Swivel und eine neue Kettennuss bringen dann schon mal 9.000,00 Euro auf die Waage. Eine derartige Situation bringt natürlich auch zahlreiche Gefahren mit sich. Abgesehen davon, dass man sich Hand und Finger durch Unachtsamkeit schwer verletzen kann, besteht auch Gefahr für Leib und Leben, sollte die Maschine zu schwach sein oder einfach versagen. Trotz einer 150 PS starken Maschine war es auch gar nicht einfach aus der von Felsen umrandeten Bucht sicher herauszukommen.

Das wäre alles nicht passiert, hätte die Ankerkralle gehalten, denn der Anker im Sand hat gehalten. Zwei weitere größere Yachten hatten die Nacht in dieser Bucht am Anker auch gut überstanden.
Seitdem sehe ich in der Kettenkralle ein ganz wichtiges Ausrüstungsteil, dessen Stabilität nicht hoch genug sein kann. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen man den Anker rechtzeitig freiwillig aufgeben sollte. Neben der Sicherung der GPS-Position der Ankerkette könnte auch noch eine Boje dazu benutzt werden, die rechtzeitig mit einer Leine an der Ankerkette befestigt wird. Im Notfall kann die Kette dann aufgegeben werden. Sie ist später dann aber leicht wiederzufinden. Zum Heben der Kette wird jedoch eine kräftige Leine erforderlich sein.
Bauformen von Ankerkrallen
Ob eine Ankerkralle gut oder nicht so gut ist, wird von den meisten nur daran beurteilt, wie leicht sie zu verwenden ist. Ein bequemes Anbringen ist schon von Vorteil und sie darf auch nicht von alleine abfallen, sodass sie am nächsten Morgen neben der Kette baumelt. Eine etwas windige Nacht überstehen wohl sämtliche Bauformen ohne Probleme. Natürlich spielt auch der Preis eine Rolle, der zwischen einige Euros und einigen hundert Euro liegen kann. Doch es ist keineswegs gesagt, dass man für einen hohen Preis auch ein gutes Produkt erhält.
Eine gute Kettenkralle muss nicht teuer sein, sie muss sich leicht anbringen und leicht wieder abnehmen lassen. Sie muss aber vor allem hohe Kräfte aushalten können, wie sie zum Beispiel bei einem Gewittersturm oder bei anhaltenden orkanartigen Winden auftreten können. Ist letzteres nicht gegeben, dann ist sie nur für einen Kaffeeanker tauglich und kann die Ankerwinde und auch die Yacht, wenn sie es wirklich mal brauchen, nicht schützen. Man muss sich klarmachen, dass bei 50 Knoten Sturmwind eine vierfach so hohe Kraft auf das Teil kommt, als bei 25 Knoten und das ist schon ein Starkwind. Ein zunehmender Seegang sorgt dann auch noch für ganz spezielle Belastungen, wenn die Kette beim Auf und Ab des Bugs mit jeder Welle steif kommt. Bei der Frage, welche Leine zum Einsatz kommen sollte, plädiere ich inzwischen klar zur Verwendung von Dyneema, am besten sogar DynaOne HS, das bei einer Seilstärke von 8 mm eine Bruchkraft von 7,6 t besitzt. Dieses Seil, an möglichen Scheuerstellen durch einen 10 mm weiten Hochdruckschlauch geschützt, bewahrt Yacht und Ankerwinde auch bei starken Winden. Dass auf so einem kurzen Stück von drei oder vier Metern ein dehnfähiges Nylon-Seil noch irgendwelche Vorteile bringen könnte, halte ich für einen Witz. Das Dyneema Seil hat auch keinerlei Nachteile bei der Geräuschdämmung.
Das nachstehende Bild zeigt einige gebräuchliche Modelle von Kettenkrallen und Kettenhaken. Hier soll jetzt keine Werbung für spezielle Produkte betrieben werden, denn ich habe diese ganzen Modelle nicht getestet. Meine Erfahrung mit dem Modell Nr. 10 habe ich vorstehend beschrieben. Sehr praktisch in der Anwendung, doch wer sie kauft, sollte sich unbedingt ein Stück Stahl unterhalb der Deckplatte einschweißen lassen und die Leine verstärken. Vertrauen habe ich weiter in das Modell Nr. 12, denn es wird auch im Bereich Hebezeuge als Parallelhaken oder Verkürzungshaken eingesetzt und da achtet sogar der TüV auf höchste Sicherheit und Zuverlässigkeit. Es ist sehr kostengünstig, aber etwas komplizierter im Gebrauch.
