Zurück nach Spanien

Felsige Küste im Norden von Menorca

2. Juli 2019

Um 3 Uhr morgens übernahm ich dann die Wache und Hanne legte sich schlafen. Es war stockdunkel und der Himmel war mit Sternen bedeckt. Bis Menorca waren es noch etwa 30 Seemeilen. Die Gegenströmung, die am Abend noch 2 Knoten betragen hatte, war umgeschlagen in 0, 5 Knoten von Backbord achtern. Der Wind war immer noch schwach und fast platt von hinten. Eine schwache Dünung ließ das Schiff schaukeln.

Als es zu grauen begann, drehte der Wind auf Nordost und nahm dabei leicht zu. Er schwankte zwischen 8 und 10 Knoten, genug zum Segeln. Ich rollte die Segel aus und stoppte den Motor. Wir machten gut 6 Knoten Fahrt, aber nur eine Stunde lang. Dann kam der Wind wieder aus Osten, blieb aber über 6 Knoten, so dass es möglich war, die Maschine zusätzlich einzusetzen, ohne dass die Segel gleich einfielen. Dadurch hörte das Rollen auf.

Als Menorca in Sicht kam, drehte der Wind wieder auf Nordost. Bei halbem Wind fast dichtgeholtem Groß und Fock mit etwas gefierten Schoten machte die Zephir bei 7 Knoten Wind knapp 6 Knoten Fahrt und das bis zur Einfahrt in die Ankerbucht Es Grau. In der Bucht fiel der Anker auf 7 m Wassertiefe.

Doch was war das? Plötzlich wackelte das Ruder. Ein Blick auf die Karte zeigte einen Stein, der immer von 1,7 m Wasser bedeckt sein soll. Offensichtlich ist das Ruder dagegen gekommen. Wir gingen sofort Anker auf, um dann an einer tieferen Stelle zu ankern. Ein Tauchgang zeigte das Ausmaß. Etwa 5 cm an der Unterseite des hintersten Endes des Ruderblatts waren angeschrammt. Glasfasern schauten daraus hervor. Das Ruder ließ sich jedoch einwandfrei bewegen. Es war also nicht ganz so schlimm. Der Schaden kam das auf die Liste der Arbeiten, die beim nächsten Mal auf dem Trockenstand erledigt werden müssen. Hätte ich nur ein paar Meter weniger Kette gesteckt, wäre nichts passiert.

Im Ort selbst gibt es mehrere Gaststätten uns sogar einen kleinen Supermarkt. Müll kann man selbstverständlich auch loswerden. Einen Dingisteg gibt es leider nicht. An den Stegen vor dem Ort darf nur für 5 Minuten angelegt werden. Wir steuerten das Dingi daran vorbei und dann nach links in eine Bucht direkt an einen Steg vor dem Restaurant Tamarindos, an dem wir dann seitlich festmachten. In dieser Bucht beträgt die Wassertiefe nur wenige cm. Der Außenborder funktioniert dort nur in Flachwasserstellung oder man steigt besser aus, um das Dingi zu ziehen. 

Die eine halbe Meile weiter nördlich liegende Bucht ist ein Posidonia Schutzgebiet und deshalb liegen dort Moorinbojen zum Festmachen. Wir sahen dort aber auch Boote, die vor Anker lagen. Offenbar ist das an bestimmten Seegrasfreien Stellen auch erlaubt.

4. Juli 2019

Geplant war ein Stopp in der Cala Fornells, eine allseitig geschützte Ankerbucht an der Nordküste Menorcas. Beim Näherkommen beobachteten wir viele Boote, die in diese Bucht strömten. Doch beim Hineinfahren merkten wir, dass diese Bucht nicht nach unserem Geschmack war. Das rechte Ufer war mit weißen Häusern bebaut. Eine Marina war zu sehen und eine Insel. Im Zentrum ankerten schon viele Boote. Wir beschlossen, am Eingang der Bucht zu ankern, weil dort noch genügend Platz war. Der Anker hielt jedoch nicht, weil der Grund verkrautet war. Zu mehreren Ankerversuchen hatten wir dann keine Lust mehr und verließen die Bucht wieder.

Das nächste Ziel war die Cala Algayerens 40° 2,91’ N  3° 55,23’ E. Hier bestand der Ankergrund aus reinem Sand. Am Strand häuften sich Dünen auf, hinter denen man Schildkröten beobachten können soll. Wir blieben jedoch an Bord.

5. Juli 2019

Für die geplante Überfahrt nach Mallorca sollte der Wind an diesem Tag ganz günstig wehen, sagte der Wetterbericht. Davon war am Morgen noch nichts zu merken und wir mussten zunächst mal wieder die Maschine bemühen. Das änderte sich jedoch bald und wir bekamen Südwind der Stärke 4, der uns relativ zügig bis ans Kap Formentor an der Nordspitze von Mallorca brachte.

Am Kap änderte sich dann alles sehr schnell. Der Wind flaute ab und wirbelte aus keiner klaren Richtung kommend. Wir mussten die Segel einrollen und auf Maschinenfahrt umschalten. Bald war auch der Seegang völlig verschwunden. Wir fuhren in etwa 500 m Abstand an beeindruckenden Felswänden entlang. Plötzlich ein Piepton, von der Motorsteuerung und eine Displaymeldung, dass Wasser im Kraftstoff sei.  Na schön, dann ist ja klar, was in der nächsten Bucht anliegt.

Wir liefen die Cala de Sant Vincens 39° 55,34’N  3° 3,68’ E an. Der Ankergrund bestand auch hier aus purem Sand. Nach Abschrauben eines Bodenbrettes und eines Grauwasserschlauches vom Sammelbehälter war die Ablassschraube des Wasserabscheiders gerade mal mit zwei Fingern zu erreichen. Wer das konstruiert hat, sollte es selbst mal machen müssen, dann wäre bestimmt ein besserer Platz für dieses Teil gefunden worden.

6. Juli 2019

Inzwischen hatte sich genügend Wäsche angesammelt und es wurde ein Waschtag eingelegt. Das Dingi blieb an diesem Tag in seiner Heckgarage und wir an Bord.

7. Juli 2019

Es ging nach Porto de Soller, dem einzigen Hafen an der Nordwestküste Mallorcas. Wegen Gegenwind und zwar genau von vorn musste mit Maschine gefahren werden. Es waren auch nur etwa 20 Meilen, was dann innerhalb von 4 Stunden geschafft war. Wie nicht anders zu erwarten war der Ankerplatz ziemlich voll. Wir ankerten deshalb etwas weiter draußen auf 13 m Tiefe noch vor der engsten Stelle der Bucht.

Der Dingisteg, eine schwimmende Plattform die an das Ende des langen östlichen Schwimmstegs gekettet ist, war voll mit Dingis belegt. Man musste schon einige zur Seite wegschieben um überhaupt aussteigen zu können. Alternativ konnte man auch von Dingi zu Dingi den Steg erreichen. Wir hatten Glück, noch eine Lücke gefunden zu haben. Die Promenade war gesäumt von Restaurants, Bars, Saft- und Eisdielen. Einige kleine Supermercados findet man in den Querstraßen. Port Soller und der Ort Soller sind mit einer altertümlichen Straßenbahn verbunden. Sie fährt alle 30 Minuten und eine Fahrt kostet 7,– €.

 

8. Juli 2019

Grelle Lichter und laute Stimmen drangen zu uns herein. Wir gingen an Deck um zu sehen was los ist. Es war 1:00 Uhr und es blies ziemlich heftig aus Südost.

Ein Katamaran und ein Trimaran waren abgetrieben worden und befanden sich unmittelbar neben uns und – da gab es schon einem Bums an unsere Backbordwand. Das Gespann hing offenbar mit den Ankerketten zusammen und die Anker selbst waren noch auf dem Grund, konnten aber nicht mehr fassen. Beide Schiffe trieben auf den Vorhafen zu, der mit Felswänden begrenzt ist. Dort ankerten nur zwei recht große Boote. Die Driftenden konnten dort ihre Boote mit Maschinenhilfe aufstoppen. Die Gefahr war jedoch nicht gebannt.

Ich stieg ins Dingi, um das Boot zu inspizieren. Es gab eine handtellergroße Stelle direkt unter einem der beiden Heckfenster. Der Rumpf war dort eingedrückt. Daraufhin fuhr ich mit dem Dingi zu den Havaristen. Auf beiden Booten bestand die Besatzung aus zwei Männern. Auf dem Katamaran waren außerdem noch drei Frauen, die aber nur als Touristinnen ohne seemännische Erfahrung an Bord waren. Das Boot führte eine deutsche Flagge, alle an Bord waren jedoch Franzosen. Jeder wollte, dass der andere seinen Anker kappt, doch keiner war dazu bereit und so kreuzten sie mit ihren Maschinen hin und her gegen den Wind, um nicht noch weiter abgetrieben zu werden.

Der Katamaran hatte inzwischen seinen Anker zwischen den Rümpfen hängen. Anker ist gut, es war ein riesiger Krautballen, aus dem ein Anker hervorschaute und dieser Krautballen war von Leinen des Kats umwickelt und über Kreuz mit der Ankerkette des Trimarans. Man müsste mit dem Beiboot heranfahren, die Leinen kappen, das Kraut entfernen, die Kette des Trimarans mittels Leine hochziehen, um den Anker klarieren zu können. Erst dann könnten beide Boote wieder ankern. An Bord waren aber nur zwei Personen, die dafür in Frage kamen und einer musste an Bord bleiben um zu kreuzen.

Mein Kommen wirkte sehr erleichternd. Ein Franzose stieg in mein Dingi und ich fuhr damit zwischen die Rümpfe des Kats, von wo aus er dann arbeiten konnte. Meine Aufgabe bestand lediglich darin, die Vor- und Rückwärtsfahrten des Kats synchron mitzumachen, damit der Mann sein Werk vollenden konnte. Nach endlos scheinender Zeit war der Anker des Kats klar und von der Kette des Trimarans befreit, so dass beide wieder selbständig Ankern konnten. Nur wir hatten unseren Schaden im Rumpf davongetragen.

Der Tag war recht windig und bedeckt. Von Norden rollte eine unangenehme See in die Bucht hinein, der Wind war immer noch ablandig und kam von den hohen Bergen im Südwestenen herunter. Die meisten Crews blieben an Bord ihrer Schiffe, denn es regnete dauernd.  Die Schauer hinterließen nach dem Abtrocknen eine dreckige Schicht aus Saharastaub. Dreimal nahm ich die Deckswaschpumpe in Betrieb, um das Deck mit Seewasser abzuspülen.

Mit dem Dingi unternahm ich nur eine Fahrt um die Versicherungspolicen meiner Unfallgegner zu bekommen. Am Abend zog dann noch ein starkes Gewitter auf. Als das vorbei war gingen wir etwas früher als gewöhnlich schlafen, weil wir noch müde von der vorhergehenden Nacht waren. Wir lagen ja sicher am Anker. Doch mit Schlafen wurde nichts.

9. Juli 2019

Nachts um eins dachte ich Kuhglocken zu hören. Es war aber nur der Rest von einem Traum. Irgendetwas stimmte nicht. Es heulte fürchterlich, ein Sturm jagte über die Bucht. Draussen sah ich, dass auch auf den anderen Booten Alarmstimmung herrschte. Ich schaltete die  Salingbeleuchtung ein, damit wir gut sichtbar sind. Die mittlere Naht am Bimini war aufgerissen. Nach dem  Einschalten der Navigation wurden Windstärken zwischen 40 und 50 Knoten angezeigt. Das war heftig. Es war die erste Welle des Sturms, die auf dem Kartenplotter einen dicken Schwojebalken hinterlies. Mehrere Schiffe fuhren aus der Bucht heraus, andere kreisten im Vorhafen, weil weiter draußen noch mit Seegang gerechnet werden muste.

Der Sturm dauerte vier Stunden und kam in drei Wellen. Eine besonders starke Bö hob das 100 kg schwere Dingi an seiner Schleppleine wie einen Kinderdrachen aus dem Wasser, einen Meter nur und es landete kieloben mit dem Motor nach unten im Wasser. Die nächste starke Bö hat es dann wieder aufgestellt doch nicht lange und es lag wieder kieloben. Ich hätte es länger binden sollen, doch nun war zu spät dafür. Dann trat eine Sturmpause ein, der Wind ging auf 30 Knoten zurück, was wie eine himmlische Ruhe empfunden wurde.

Als ob der Sturm, bevor er endgültig Ruhe gibt, noch einmal zeigen will was er so drauf hat, bretterte er mit Windstärke 10 mit Böen bis knapp 11 ein letztes Mal über die Bucht. Dabei riss die 16 mm Leine der Ankerkralle. Offenbar war sie durchgescheuert, weil das Schutzrohr, das sie genau daran hindern sollte, dem Druck nicht mehr standgehalten hatte. Die Kettennuss war zwar recht festgezogen, doch der Wind nahm sich hörbar einige Meter zusätzliche Kette aus dem Kasten und es entstand ein dritter Schwojebalken.

Dann endlich ging dem Wind die Puste aus. Der Windmesser zeigte von einer Minute zur anderen nur noch 2 Knoten an. Es war fünf Uhr morgens. Eine halbe Stunde später gingen wir erstmal schlafen. Drei Stunden später war ich wieder draußen. Die See war glatt, die Sonne schien und kein Lüftchen bewegte sich. Die Ankerbucht war ziemlich leergefegt. Es gab viel zu tun. Besonders das Dingi machte mir Sorgen, denn ohne ist kein Landgang möglich. Die Marina Tramontana in der Bucht hatte keinen Platz mehr, was nicht verwunderte. So zog ich das Dingi mit dem Spifall aufs Vordeck, öffnete die Motorabdeckung und spülte das ganze Innere erstmal mit Frischwasser aus, nahm die Zündkerzen heraus und entfernte das Wasser aus den Zylindern, indem ich mehrmals die Starterleine zog. Doch mit Bordmitteln allein ist die Sache nicht gut hinzubekommen.

Es gelang mir schließlich, vom Ankerplatz aus eine Firma aufzutreiben, die den Motor vom Boot abholte, um ihn komplett zu reinigen und einen Ölwechsel durchzuführen. Das Öl war ja inzwischen mit Seewasser vermischt, was über die Zylinder eingedrungen war. Am nächsten Morgen sollte er dann zurückgebracht werden.

10. Juli 2019

Morgens um halb zehn kam der Motor zurück, alle elektrischen Steckverbinder waren gereinigt worden, ein Ölwechsel war erfolgt und ein neuer Tank war angeschlossen. Der Benzintank, der Anker des Dingis und die Ruderdollen die unter der Sitzbank lagen und ein Ruder waren weggespült worden. Schnell war der Motor wieder angesetzt und das Dingi zu Wasser gelassen. Der Motor sprang sofort an und die Probefahrt verlief ohne Beanstandung. Gott sei Dank. Das Dingi war die größte Sorge gewesen. Der Spaß hat letztlich knapp 300 Euro gekostet. Seitdem heißt die Bucht bei meiner Frau „Die Höllenbucht“.

11. Juli 2019

Heute ging es nach mit der Strassenbahn von Porto de Soller nach Soller. Die Fahrt dauert etwa 30 Minuten. Soller ist eine kleine Stadt mit extrem schmalen Straßen, durch die sich die Autos quälen müssen.

Die Stadt ist einmal wohlhabend geworden durch ihren Zitronenanbau. Auch heute noch sind überall im Stadtbereich Zitronenbäume zu sehen. Die Kirche in Soller ist ein imposantes Bauwerk und kündet vom einstigen Wohlstand. heute ist die Haupteinnahmequelle sicher der Tourismus. Interessant ist auch ein Besuch im Picasso Museum an der Endhaltestelle der Straßenbahn, in dem die Keramikarbeiten des Künstlers ausgestellt werden. Der Eintritt ist frei.

14. Juli 2019

Eigentlich hielten wir uns schon viel zu lange in Porto de Soller auf, wollten aber erst am 14, einem Sonntag nach Santa Ponsa fahren, weil wir dort ein Treffen vereinbart hatten. Irgendwie wurde das Wetter wieder schlechter. Deshalb hatten wir am Vorabend schon das Dingi reingeholt. Frühmorgens um 3 Uhr ratterten wieder die Leinen. Auch auf mehreren anderen Yachten herrschte bereits Alarmstimmung. Eine Yacht nahm ihren Anker hoch und verließ den Ankerplatz. Der Wind war nicht annähernd so stark wie 5 Tage zuvor, höchstens 25 Knoten. 

Um nicht so stark dem Schwell ausgesetzt zu sein, der vom offenen Meer ständig hereinkam, hatten wir einen anderen Ankerplatz weiter im Süden der Bucht aufgesucht. Dort bestand der Grund jedoch aus Schlick und deshalb hatte ich 60 m Kette draußen. Der Ankerplatz war voll. Am Samstag hatten mehrere Boote um uns herum geankert. Mit Sorge beobachtete ich das Ankerverhalten einiger, die kamen, den Anker fallen ließen einige Meter Kette steckten und fertig waren.

Als es dann hell wurde, bekam ich einen Schreck, denn ein Motorboot trieb sich fast mit der Hand zu greifen hinter unserem Heck. Es war in der Nacht auf Drift in unsere Richtung gegangen. Auch ein Katamaran neben uns unter belgischer Flagge rannte mit einem Fender nach hinten, um einen Zusammenstoß mit einem anderen Segelboot parieren zu können.

Jedenfalls gingen wir schnellstens Anker auf und verließen diesen schönen Ort, an dem wir uns eine ganze Woche aufgehalten hatten. Zwei Tage davon waren allerdings zum Wegseißen, dafür entschädigten uns jedoch die anderen.