Ankergeschirr

Auf der Zephir gibt es insgesamt drei Anker, den 45 kg Hauptanker an einer 100 m langen 10 mm starken Edelstahlkette, einen Fortress Anker vom Typ FX55 mit einer 100 m langen geschlagenen 22 mm Polyamidleine und einen Fortress FX7 Anker an einer 30 m langen und 10 mm dicken Bleileine. Letzterer ist nur dazu da, dem Schiff unter normalen Verhältnissen das Schwojen zu erschweren, sofern der Ankerplatz dieses zulässt. Der Hauptanker ist ein Edelstahlanker vom Typ UA45 von Ultra Marine https://www.ultramarine-anchors.com/de/. Ohne Werbung für die Firma machen zu wollen steht für mich fest, dass er unter den von mir gefahrenen zahlreichen Ankertypen die größte Performance hat. Er gräbt sich schnell ein und macht Winddrehungen sehr gut mit. Am ehesten wäre der Delta-Anker damit vergleichbar.

Trotz seiner guten Performance, auch mit dem Ultra-Anker kann es Probleme geben wenn der Boden nur aus Schlick besteht oder stark verkrautet ist. Es gibt eben keinen Universalanker. Es gibt nur bessere und nicht so gute.

Das Ein- und Auslaufen In den Bugbeschlag verläuft reibungslos. Trotz des senkrecht abfallenden Bugs ist es nur einmal vorgekommen, dass der Anker den Rumpf tuschiert hat. Ursache war eine nicht genug festgestellte Kettennuss beim Anker Lichten. Diese drehte durch, als der Ankerschaft über die Bugrolle wollte. Dummerweise wurde dann etwas Ankerkette gegeben, um einen neuen Anlauf zu versuchen. Dabei pendelte der Anker gegen den Rumpf und verursachte einen kleinen Kratzer. Wenn die Kettennuss fest genug angezogen ist, dann dreht sich der Anker beim Übergang des Schaftes über die Bugrolle stets in die richtige Position und läuft sauber in den Bugbeschlag ein. Etwas fummelig gestaltet sich anschließend das Einschieben des Sicherungsstiftes.

Die Ankerwinde ist eine Quick DP3 für eine 10 mm Kette. Sie zieht maximal 1100 kg und bewältigt eine Arbeitslast von 470 kg. Ihre Einholgeschwindigkeit beträgt 27,5 m/min. Zur Entlastung der Kettennuss wird immer eine Kettenkralle mit einem dehnbaren Taustück an der Bugklampe eingesetzt. Auf dem Vorschiff befindet sich steuerbordseitig ein Anschluss für einen Decksreinigungsschlauch. Dieser wird immer benutzt, wenn die Ankergründe nicht so sauber sind und mit der Kette jede Menge Schlamm hochtransportiert wird. Die Kette kann auf diese Weise während des Einlaufs bequem abgespritzt werden. Anschließend können auch Anker und Bugbeschlag einfach gereinigt werden.

Fortress Anker sind eigentlich nur auf Sandgründen gut zu gebrauchen. Der Zweitanker wurde allerdings noch nie benutzt. In den bisher befahrenen Gewässern und den bisher mit der Zephir erlebten Windstärken bot der Hauptanker immer ausreichend Haltekraft. Der Zweitanker müsste zu seinem Einsatz mit dem Dingi ausgebracht werden.

Das Ankern selbst erfordert eine Menge Umsicht und Erfahrung. Ankertiefe, Ankergrund, Windverhältnisse und benachbarte Ankerlieger müssen einkalkuliert werden. Wenn der Wind von ablandig auf auflandig dreht, kann es ganz schnell sehr flach werden, besonders dann, wenn der Grund zum Land hin schnell ansteigt. Das passiert bei fast jedem Gewitter, das auch unbemerkt in der Nacht aufziehen kann. Auf manchen Plätzen gibt es Mooringbojen, die meist einheimischen Fischern gehören. Wenn dazwischen geankert werden soll, dann ist zu beachten, dass das eigene Schiff und auch die anderen Ankerlieger bei Winddrehungen Vollkreise mit einem Radius von Schiffslänge plus Kettenlänge schlagen können. Die Mooringbenutzer bleiben jedoch meist auf der Stelle liegen, auch wenn der Wind sich um 360° dreht. Sie strecken nur den Bug in den Wind und man kann schnell damit kollidieren.

Ein Anker muss immer eingefahren werden. Sobald der Anker den Grund erreicht, wird leichte Rückwärtsfahrt aufgenommen. Dabei wird dann Kette gesteckt. Vorteilig ist es, wenn man den Grund sehen kann. Dann lässt man den Anker auf eine helle Sandfläche fallen und vermeidet Flächen mit Bewuchs oder Steinen. Die Kette kann entweder langsam mit der Winde abgelassen werden oder schnell durch Lösen der Kettennuss. Sieht man den Anker liegen, dann steckt man vorsichtig etwas Kette, die nicht auf den Anker fallen darf. Wenn das Boot dann langsam abtreibt kann ordentlich Kette gegeben und langsam Rückwärtsfahrt aufgenommen werden. Sobald genug Kette draußen ist, wird die Winde angehalten.

Man kann jetzt prüfen, ob der Anker hält. Die Kette darf nicht ruckeln oder springen. Das Schiff muss stehen und die Kette soll bei mäßiger Drehzahl, vielleicht 800 U/min, nach vorn stehen. Jetzt kann man, wenn hohe Sicherheit gewünscht ist, noch einige Meter Kette nachstecken. Bald steht die Kette dann infolge der Rückwärtsfahrt wieder steif nach vorn. In diesem Zustand kann die Kettenkralle problemlos eingehakt und auf einer Bugklampe belegt werden. Anschließend werden ein paar cm Kette dazugegeben, so dass dass die Kette locker durchängen kann. Jetzt wird die Drehzahl der Maschine erhöht und der Anker dabei richtig eingefahren. Je nach Maschinenleistung muss dabei nicht immer Vollgas gegeben werden. Bei der Zephir mit ihren 150 PS reichen 1000 bis 1500 U/min schon aus. Es ist ja auch immer davon abhängig, ob man nur eine kurze Pause einlegen oder für längere Zeit dort bleiben will.

Richtig ist es immer genügend Kette zu stecken, lieber etwas mehr als zuwenig. Daran erinnert mich die Nacht vom 29. zum 30. Aug. 2016, als uns nach der Umsegelung von Kap Finisterre das Tagesziel Vigo zu lang erschien und wir stattdessen im Vorhafen von Puerto de Aguino (42° 31,2‘ N   9° 0,9‘ W) über Nacht ankerten. Der Wind kam aus Nordost und erreichte gerade mal eine 4, war also relativ ruhig. Aufgrund der Enge in diesem Vorhafen, steckte ich nicht viel Kette. Doch mitten in der Nacht ging es los und der Wind erreichte Sturmstärke. Die Wellen waren zwar nicht hoch, doch das Schiff bockte an seiner Kette trotzdem wie ein angebundener Stier. Nur gut 100 m hinter unserem Heck befand sich die Steinmole an der einige Fischereifahrzeuge lagen. Auf dem Kartenplotter war schon eine breite Bahn von unzähligen Schwojekreisbögen zu sehen. Der Anker schien zu halten aber oh Schreck, die Flut stand bevor und das Wasser konnte noch gut 2 m steigen. Dafür war die Kette dann zu kurz. Sicherheitshalber wurden noch etwa 15 m Kette gesteckt. Alles in der dunklen Nacht. Daran hätte man auch am Tag zuvor denken können.

Die richtige Kettenlänge ist ja auch immer ein Thema mit Unterhaltungswert. Eine recht fundierte Betrachtung stammt hier von Mathias Wagner. In seinem Beitrag geht er mathematisch genau auf die Frage der erforderlichen Kettenlänge ein. Was die Mathematik jedoch nicht kann, ist eine Erfassung der Haltekraft des Ankers bei verschiedenen Ankermodellen und Ankergründen und so reduzieren sich die Betrachtungen auf eine 100%-tige Haltekraft, so als ob der Anker an einem Unterwasser-Felsen festklemmen würde. Wer also seinem Anker vertraut und auf einem genügend tiefgehenden Ankergrund aus Sand ankert, der kann die Länge einer 10 mm starken Kette nach Wagner mit der einfachen Formel

    \begin{equation*}l=\sqrt {Y\cdot(Y+2a)}\end{equation}

berechnen. Hierbei ist Y die Wassertiefe an der Stelle des Ankers und a ein Parameter, der von der Windstärke und der Wind-Angriffsfläche des Bootes abhängt. Bei einer Windstärke von 8 bft, die ein nächtlicher Gewittersturm schon mal aufbringen kann ist a = 65,7; 98,6 und 131,5 für Angriffsflächen von 5 m2; 7,5 m2 und 10 m2. Das sind dann vielleicht Boote von 10 m; 14 m und 18 m Länge. Dafür errechnen sich dann bei 10 m Wassertiefe Kettenlängen von 38 m; 46 m und 52 m.